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( A | M | E | R | I | K | A | F | A | N | S )
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Früher gab es viele Amerika-Fans. Und heute? Der Mythos Amerika, das Sinn- und Sehnsuchtsbild USA, hat gelitten. Das liegt nicht nur an den politischen Verschiebungen oder Identifikationsschwierigkeiten unter Trump, sondern vermutlich an einem grundlegenden Wandel. Einfache Unterscheidungen, wie jene zwischen Europa als alter und den USA als neuer Welt, sind zwar nicht obsolet, aber keinesfalls mehr so tragend wie einst. Die USA, als Anziehungspunkt und Traum-Ort für die einen, als Abgrenzung und Widerpart für die anderen, verlieren an Kraft.

Wer oder was ist dann ein Amerika-Fan? Historisch waren es die unter- oder weniger Privilegierten, die Amerika schätzten. Ihnen galt Amerika als ein Zukunftsbild, das Veränderung verhieß und dabei vor allem: ein besseres Leben. Während die Aristokratie ob der Entwicklungen in Amerika Sorge hatte, den althergebrachten Reichtum zu verlieren, waren es die Massen, die mit Hoffnung nach drüben blickten. Und etwas von der Hoffnung der Massen findet sich auch 150- 200 Jahre, später noch: die Idee, man könne es schaffen, man könne es zu etwas bringen. Der Glaube daran, Neues aufbauen zu können. Ein irrsinniger Glaube an die Kraft des Fortschritts. Ein Staat, der nicht so weit weg von Bevölkerung scheint, sondern in dem die Einzelnen sich als Teil des Ganzen imaginieren können. So als würden immer noch Siedler*innen in Planwagen gen Westen ziehen, eine neue Siedlung begründen und die Verrechtlichung des Wilden Westens betreiben.

Und andersherum wirkt in der Geringschätzung der Culture gegenüber der abendländlichen Kultur noch etwas nach von dem alten Dünkel der Oberschicht die mit Verachtung auf Massenkultur blickt.

Aber wo Hoffnung ist, gärt auch Enttäuschung. Und dann stehen die Feindbilder bereit: Diktatur des Marktes, Oberflächlichkeit, käuflich, Mangel an Authentizität... Gerade die linken Massen sind hier schon lange prädestiniert. Dazu kommt ein zunehmend unklareres Agieren in der Weltpolitik, rassistische Morde durch die Polizei, innenpolitische Regression und eine Verrohung der Debattenkultur.

Es ist schwieriger geworden, Amerika-Fan zu sein.

Aber: es gibt ihn auch heute noch, den Amerika Fan. Und nicht nur in der anfälligen Phase von Pubertät und Adoleszenz. Wenn Alex Meier, mein letzter Held, zum Interview gebeten wurde, gefiel es den Autoren der Frankfurter Rundschau, ihn mit den Worten „Amerika-Fan“ zu charakterisieren. Ein Amerika-Fan, der seinen Urlaub am liebsten in Florida verbringt. Amerika-Fan. Was das genau sein soll, bleibt unklar. Und doch erscheint die Beschreibung erstaunlich präzise. Sie eröffnet ein Reservoir an Erinnerungen und Vorstellungen die sich postwendend einstellen und Vorstellungen, Stereotype und Zerrbilder hervorrufen. USA, Florida. Mit infantilem Reiz und im Stakkato des Rammstein-Songs denkt man an Disney-Land, Coca-Cola, Alligatoren und natürlich auch, den Sunshine-State verlassend, an Burger, Baywatch, aber auch Western, Cowboy, NBA, Indianer. Alex Meier, stets etwas ungelenker, letzter Torschützenkönig der Frankfurter Eintracht, in der Achterbahn. Der Schutzbügel schließt, leichter Buckel, trotzdem viel zu groß für den Wagen. Danach gibt’s Cola mit viel zu viel Eis und Alex kann die unerschöpfliche Weite des Landes, die Freiheit genießen.

Amerika-Fan, es kann kaum eine präzisiere Beschreibung geben. Die Details mögen variieren, aber die Bilder stehen direkt parat. Wir wissen genau, was gemeint ist. Ein Bonmot das scharf gestochen und weich gezeichnet zugleich Anschluss an vieles ermöglicht. Und, zugegeben, wir waren doch alle früher Ami-Fans. Oder zumindest irgendwann mal oder auch immer mal wieder. Mal so und mal so.

Die Zunge des Wetterauers liegt etwas zu dicht am Gaumen. Er rollt das „r“ als käme er von der anderen Seite des Ozeans. Eben nicht wie im Süden, gar Bayern, denen das tiefe Grummeln, das tragende Raunen fehlt. Aber auch nicht wie Till Lindemanns blechernes r, das nach Osten klingen soll. Sondern wärmer, einnehmender und kumpelhafter. Der Wetterauer fühlt sich dem Amerikaner nahe, noch bevor der erste chewing gum gekaut war. Kein Wunder, dass es hier viele Amerika-Fans gab. Die Amis waren hier, und dennoch waren sie nie ganz greifbar. Es ist die Mischung aus Nähe und Distanz, die magisch wirkt. Als ich das erste Mal durch Bremerhaven fuhr, war ich sofort gebannt, von den architektonischen Überresten geschlossener Bars und Diners. Wie einst in Friedberg. Etwas haben und trotzdem nicht ganz greifen können. Die GIs waren hier, gehörten dazu, blieben aber trotzdem fremd und haben dem Städtchen ein Moment der Weltläufigkeit geschenkt. Wenn wir groß sind, können wir Amis werden. Oder zumindest ein Auslandsjahr in den „Staaten“ planen. Die weite Welt, die neue Welt, der Fortschritt, die Ray Barracks direkt vor der Tür, mitten in der Kornkammer Hessens. Ich habe mich immer gefreut über das gesonderte Abfahrtsschild an der A5, von Frankfurt kommend oben auf der Bergkuppe, die Schwelle zur Wetterau. Es zerschneidet die Provinz und bleibt trotzdem fern. Wir können ja nicht wirklich rein.

Ich habe was aus der PX.

Philip räumt in der ersten Pause was aus seinem Ranzen. Die PX, Post-Exchange, sind amerikanischen Einkaufszentren, in denen es, auf Vorlage eines Ausweises, größtenteils importierte Waren für Angehörige der US-Armee gibt. Philip hat Schokolade dabei, vermutlich Hershey. Große Augen überall. Was aus der PX kommt, ist von Natur aus eine heiße Sache. Während der Kapitalismus mittlerweile für sozialistische Bedingungen zumindest in Angebotsregalen sorgt – und es überall das gleiche gibt – war es damals gar nicht einfach, sowas wie Hershey zu bekommen. Dachten wir zumindest.

Ist überhaupt kein Problem da rein zu kommen, schiebt er hinterher, packt den Riegel aus. Alle dürfen probieren, aber es ist auch nicht viel da. Wie man da reinkommt, bleibt jedoch unklar. Früher war es einfach, ein Fan zu sein. Irgendwann wurde es schwieriger. Und die Soldaten waren in der Stadt. Haben getrunken, wirkten mal lustig, mal aggressiv. Es rankten sich zahlreiche Geschichte darum, was alles schon passiert sei und folglich auch noch passieren kann. Das Auftreten der Military Police, die ihre sichtliche Mühe mit den feiernd durch die Kleinstadt ziehenden Soldaten hatte, war schroff und wir hatten stets etwas Sorge. Bestimmt wusste auch wer ganz genau, dass die MP als Organ der Besatzungsmacht mehr Rechte hätte als die heimische. Egal, sie waren ruppig und wir hatten Respekt.