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„Ich will mich nicht daran erinnern, wie das damals im Central war“, sagt sie. „Vor allem nicht, seitdem ich selbst Mutter einer Tochter bin.“ Damals, damit meint sie die 1980er Jahre. Mit dem Central meint sie das Central Studio, eine Diskothek am Rande der Altstadt in Friedberg/Hessen. „Das Central war anders als andere Diskotheken“, sagt sie, „und zwar nicht nur wegen der Amis.“ Es gab dort von allem zu viel: zu viel Leidenschaft, zu viel Wut, zu viel Alkohol. Vielleicht sogar zu viel Toleranz.

Als das Central Studio am 22.2.1968 von Klaus Niethammer eröffnet wurde, gab es aber erstmal zu wenig. Zu wenige Diskotheken nämlich. Es gab Bars, Kneipen, Theater. Es gab Bordelle, Tanzcafés und Rummelplätze. Diskotheken waren ein neues Phänomen. Die erste wurde 1959 in Deutschland eröffnet. Bisher hatten sich junge Menschen zu Tanztees getroffen, bei denen Tanzkapellen, die Songs nachspielten, die seit Wochen im Radio liefen. Parallel dazu hatten amerikanische Soldaten bereits in den 1950ern Jukeboxen mit nach Deutschland gebracht: Apparate, die automatisiert Platten abspielten, die man sich per Knopfdruck aussuchen konnte.

Als das Central Studio eröffnete, brachte es beide Entwicklungen zusammen. Man muss sich das in den Anfangsjahren ein bisschen vorstellen wie in Las Vegas, nur sehr viel kleiner. Das lag auch daran, dass das Central ein altes Kino war, dass man umgebaut hatte. Die Eleganz und den Glamour des Kinos hat man mit Sofas in rotem Samt ausgestattet. Über all dem schwebte eine Discokugel und ließ ihre glitzernden Lichtfunken darüber streifen. Eine halbe Stunde spielten Bands, die Showgruppen ähnelten: elegante Kleidung, attraktive Sängerinnen. Danach legte eine Weile ein DJ Platten auf, bis die Band ein neues Set spielte.

Von Allem zu viel – das Central Studio

Es liefen Songs, aus den 50ern, 60ern und das Beste von damals. Und das Beste war 1968 Hey Jude. Die Beatles hatten die Hitparaden gestürmt. Es herrschte Krieg in Vietnam, in Deutschland protestierten Studierende, in den USA wurde Martin Luther King jr. ermordet, die Rassentrennung war erst vier Jahre zuvor durch den Civil Rights Act offiziell aufgehoben worden. Aretha Franklin dachte über Freiheit nach, Marvin Gaye „heard it through the grapevine“ und Tammy Wynette stand hinter ihrem Mann. Heintje huldigte seiner Mama, Udo Jürgens widmete sich Mathilda und Peter Alexander himmelte Delilah an. Eigentlich hatte das Tom Jones getan, aber damals wurden englischsprachige Hits ins Deutsche übersetzt und neu vertont. So ging das von 20 Uhr bis 1 Uhr nachts. Nur um 22 Uhr ging kurz das Licht aus und die Ausweise wurden kontrolliert – wer unter 18 Jahren war, musste gehen. Immer mal wieder gab es Konzerte: Peter Maffay, Drafi Deutscher, Jürgen Drews. Soweit, so gediegen.

Wie kam das Central zu seinem Ruf? So ein Ruf entsteht langsam und beginnt mit zwei Ereignissen: 1973 wird die Wehrpflicht in den USA abgeschafft und drei Jahre darauf stirbt Herr Niethammer an einem Herzinfarkt. Während Herr Niethammer die Geschäfte des Central leitete durften nur amerikanische Offiziere[4] die Diskothek betreten. Die Militärpolizei kam vorbei und kontrollierte. Es ist unklar, ob es eine Regel war, die in der Kaserne beschlossen wurde oder ob Herr Niethammer es so beschlossen hatte. Die gemeinen Soldaten hingen in den Kneipen der Friedberger Altstadt rum, sofern sie die richtige Hautfarbe hatten. Denn auch dort herrschte mitunter Zutrittsverbot für Schwarze. Nach seinem Tod übernahm seine Frau die Diskothek und öffnete die Türen für alle: Rednecks, Latinos, Afro-Amerikaner. Und alle kamen.

Von Allem zu viel – das Central Studio

Mit der Abschaffung der Wehrpflicht verändert sich die Zusammensetzung der Armee. Vorher musste jeder Amerikaner hin, egal wie arm oder reich, welche Hautfarbe oder welche Zukunft auf ihn wartete. Aber ohne die Wehrpflicht kamen vermehrt jene, die hofften, die Armee würde ihnen ein besseres Leben ermöglichen. In Amerika kosten Universitäten hohe Gebühren, aber wer in der Armee gedient hatte, der durfte kostenlos studieren[5] , weil deren Gebühren übernommen worden. Andere hatten in den USA vor Gericht gestanden, hatten geklaut, gedealt, Landfriedensbruch begangenen, kleinere Vergehen und man hatte sie vor die Wahl gestellt: Gefängnis oder Armee[6] . Einige kamen, weil ihre Väter schon in der Armee gewesen waren und deren Väter auch. Und wieder andere kamen, weil ohnehin keine Zukunft auf sie wartete.

Im Central Studio merkte man vor allem, dass mehr Afroamerikaner unter den Soldaten waren. Aber vielleicht war es auch nur so, dass Afroamerikaner lieber tanzen gingen als die weißen Amerikaner. Für einen Dollar bekam man damals vier Mark, selbst mit dem nicht gerade üppigen Sold, konnte man sich einiges leisten. Zudem waren viele der GIs jung, sie genossen hier die Freiheit, die sie zuhause nicht hatten. In Amerika wären sie als unter 21-jährige in gar keine Diskothek reinkommen, vom Bier (das in Amerika ohnehin wässriger ist und einen geringeren Alkoholgehalt hat) und anderem Alkoholkonsum ganz zu schweigen.

Mit den Amerikanern kehrte eine gewisse Exotik in das Central ein, und mit der Exotik kamen mehr Frauen und wegen der Frauen gab es Schlägereien. Sie nehmen Ende der 1970er Jahre zu – und oft ging es dabei um die Mädchen, erinnern sich jene, die dabei waren. Wobei unklar ist, wer sich mit wem prügelte, ob Deutsche mit Amerikanern oder Amerikaner gegeneinander.

Aber man muss sich das vorstellen: Amerikanische Männer (die meisten Soldaten waren männlich) waren damals schon lässig, selbstbewusst und outgoing. Sie kamen, um zu tanzen. Sie konnten sich bewegen, hatten Freude daran, Mädchen aufzufordern. Deutsche Männer benötigten ihren Körper vor allem, um stocksteif an der Bar zu sitzen und mit jedem Bier etwas an Haltung zu verlieren. Die kleine Bar im ersten Stock wurde zur deutschen Bastion, erinnert sich jemand, der damals dabei war.

Von Allem zu viel – das Central Studio
Von Allem zu viel – das Central Studio

Und so begannen die 1980er Jahre: Deutsche Männer an der Theke, zwei Frauen auf der Tanzfläche, die zusammen einen Foxtrott hinlegen. Aufritt: Amerikanische Soldaten. Sie haben Euphorie und Hemmungslosigkeit, Hoffnungen und Träume im Schlepptau. Während dessen ist Diana Ross Upside Down. Blondie will angerufen werden. Styx feiern „The best of times“. Und The Police erfindet den Refrain, der in jeder Sprache gleich bleibt: „De Do Do Do, De Da Da Da“. Die Tanzfläche ist voll. Jeden Tag. 1981 hatte das Central Studio einen Ruhetag. Es gibt jetzt Abende, an denen nur Rockmusik läuft und andere, an denen nur Soul, Funk und R’n’B gespielt wird. Mit der Musik separieren sich die Menschen. Wenige Afroamerikaner standen auf Rock, wenige Rednecks auf R’n’B. Latinoabende hat man auch mal probiert, aber das Publikum blieb aus. Vielleicht weil es nicht so viele Puerto Ricaner und andere Latinos in der Armee gab. Vielleicht aber auch, weil lateinamerikanische Tänze Paartänze sind und wenn es keine Frauen gibt, die wissen, wie man seinen Körper zu den Rhythmen wiegt, verliert man die Freude am Tanz und der Musik.

In anderen Clubs war die Stimmung ausgelassen, im Central war sie hemmungslos. Es war, als hätten die Soldaten den Pauseknopf gedrückt, ihr altes Leben einfach angehalten. Sie lebten vollkommen im hier und jetzt. Den einen, war die Zukunft sowieso egal, weil sie nicht wussten, was sie erwarten würde. Die anderen sahen ihr Soldatendasein als Job an, der eben erledigt werden musste, über den man nach Feierabend aber weder groß reden oder gar nachdenken wollte. Wieder andere wussten, dass nach dem Wehrdienst, das echte Leben anfangen würde: Hauskredit, Ehe, Kinder. Sie wollten noch ein letztes Mal alles Leben in sich einsaugen, es rauslassen, so dabei sein, als gäbe es kein Morgen. Sie wussten ja auch, sie waren für eine begrenzte Zeit in Friedberg, meist zwei Jahre.

Lief Rockmusik musste man manchmal Angst haben, dass die Lampenschirme von der Decke fielen, so hart wurde getanzt. Lief Black Music musste man sich fragen, ob das, was auf der Tanzfläche vor sich ging tatsächlich noch unter tanzen fiel oder doch schon unter Sex. Und wenn sich geprügelt wurde, dann als wäre man jetzt schon im Krieg und nicht auf der Straße vor einer Diskothek am Rande der Altstadt von Friedberg in Hessen, Deutschland.

Besonders exzessiv waren die Sonntage. Denn an Sonntagen hatte so gut wie alles andere zu. Auch auf dem Kasernengelände gab es mittlerweile eine Diskothek: Das Capri. Wenn an den Wochenenden die Bars, Kneipen und Diskotheken der Umgebung schlossen, zog man weiter ins Capri. Bis man dort rausgeschmissen wurde. Sonntag stand man mittags wieder auf und kehrte abends ins Central zurück. Die Sonntag Nachmittage wurde im Central als Tanztees schon in den 70ern etabliert für all jene, die noch nicht volljährig waren. Daraus wurde in den 1980ern eine Abendveranstaltung, wie Freitage und Samstage auch. Nur waren die Sonntage die Heimat all jener, die nicht genug bekommen konnten.

An Sonntagen hatten die Clubs auf dem Kasernengelände geschlossen. Nicht nur in Friedberg, sondern auch in Gießen und allen umliegenden Kasernen. Und so kamen die Amerikaner kompanieweise aus anderen Barracks ins Central. Kein Abend war voller als der Sonntag. Es lief Black Music, 400 Körper standen eng an eng, tanzten, lachten, flirteten. An keinem Abend wurde mehr getrunken und sich mehr geprügelt. Denn Soldaten aus unterschiedlichen Einheiten konnten sich nicht unbedingt leiden. Das wusste man nicht, das ahnte man nur. Vom Leben in der Kaserne, von den Einsätzen, von dem was sie taten, darüber sprachen die amerikanischen GIs so gut wie nicht. Manchmal hatte man das Gefühl, sie seien kaum mehr als Touristen, die in der hessischen Provinzstadt gestrandet waren und sich hier die Seele aus dem Leib feierten. Bis es eben knallte.

Und dann stand Frau Niethammer vor den durchtrainierten Kerlen. Eine kleine, ältere Dame und brachte die Streithähne auseinander. Nicht nur das, sie hatte auch immer ein offenes Ohr für die Männer. Nahm einen mal mit an die Bar und lud ihn zu einem Burger ein, hörte sich an, wie groß sein Heimweh war. Wenn die Soldaten sie tagsüber auf der Straße sahen, riefen sie ihr oft „Hi, Mum“ zu. Frau Niethammer hatte ein Gespür für ihre Gäste. Dienstagabends bevor der Club richtig voll wurde, veranstaltet sie oft Spiele: Bingo, Wettpuzzeln, Hula Hoop Wettbewerbe. Es sind Albernheiten, die Zusammenhalt suggerieren. Sie lud Bands ein, die ohnehin durch die amerikanischen Clubs getourt sind: Percy Sledge, The Manhattans, die ehemalige Crew von Tupac. Sie holte die Amerikaner da ab, wo sie waren, gab ihnen, was sie vermissten. Frau Niethammer organisierte Break Dance Contests und Halloweenparties. Sie ließ Rapper gegen einander antreten (Turbo B, der später zu Snap! gehörte, wurde hier entdeckt) und lud zu Thanksgiving ein. Sie leitete nicht nur eine Disco, sie schuf eine Community.

Rückblickend waren die 1980er Jahre gleichzeitig eine naive, unbedarfte und exzessive Zeit. Dann kamen die 1990er Jahre und mit ihnen die Golfkriege und der Kosovo-Konflikt. Verletzungen, Invalidität, posttraumatische Belastungsstörungen all das rückte näher. Und auch der Tod. „Die Jungs waren verändert“, sagt jemand, der damals mit gefeiert hat. „Man hatte das Gefühl, sie wollten sich das Grauen aus dem Kopf feiern.“

Die Musik änderte sich. Rockabende gab es in den 1990ern nicht mehr. Hip Hop und R’n’B wurde Mainstream. Salt-n-Pepa wollten über Sex reden, Boyz II Men sahen „the end of the road“, Arrested Development erzählten von Tennessee und spätestens mit Eminem’s Slim Shady LP trugen auch die letzten Jungs Baggy Pants.

Von Allem zu viel – das Central Studio

Besonders exzessiv waren die Abende nachdem Kompanien aus einem Manöver zurückkamen. Meist waren sie sechs Wochen weg und selten erfuhr man, was sie in dieser Zeit erlebt hatten. Die Altstadt erhielt den Namen „Combat Alley“, am Bordell wurde Schlange gestanden, Dutzende Menschen waren an Schlägereien beteiligt.

Im Central begann man mit Sicherheitspersonal zusammen zuarbeiten. Mitte der 1990er war es keine Seltenheit acht bis zehn schwarze Sheriffs, wie man die Security nannte, im der Diskothek anzutreffen. Die Stimmung war oft angespannt, fast explosiv. Wenn alles gut ging, war es die ausgelassenste Stimmung, die man finden konnten. Wenn es schief lief, war es die aufgeladenste Schlägerei, die man finden konnte. Frau Niethammer sprach auch Hausverbote aus, aber nie lange. Zwei, drei Wochen durfte ein Troublemaker nicht mehr kommen. Es klingt ein bisschen, wie Hausarrest, eine Zeit in der man über seinen Untaten nachdenken sollte. Aber Frau Niethammer gab jedem eine Chance sich zu bewähren, manchen auch immer wieder. Ihre Toleranz war scheinbar grenzenlos.

Sie wusste wohl, dass in der Kaserne Dinge vorfallen, die nie nach außen dringen; dass auf den Manövern Unfälle passieren, von denen man besser nichts wissen möchte. Andere sahen Männer, die zu schnell betrunken wurden und austickten, weil ein Mädchen, das vor sechs Wochen noch bei ihnen auf dem Schoß saß, jetzt den eines anderen wärmte. Die Mädchen waren der Funken, die die Männer zum explodieren brachte. Frau Niethammer ahnte vielleicht, dass viel größere Konflikte darunter schwelten.

Viele Frauen hingegen waren sich ihrer Rollen nicht sonderlich bewusst. Wie auch? „Bei einigen ahnte man, dass die Lebensgeschichten, die sie erzählten, keinen Sinn ergaben oder große Lücken hatten“, sagen mehrere, die dabei waren. „Es war deshalb unklar, auf was man sich da einließ, aber man tat es trotzdem. Man ließ sich von ihrer Ausgelassenheit mitreißen.“ Aber so etwas wie eine normale Beziehung zu einem Amerikaner gab es nicht. Das fing damit an, dass die Männer auf den Kasernen sich Zimmer teilten. Privatsphäre war inexistent. Die Jungs mussten ihre Mitbewohner rausschmeissen für ihre Schäferstündchen. Die meisten mieteten sich allerdings Hotelzimmer. Ein Hotelzimmer ist natürlich ruhig und intim, aber es ist auch anonym und austauschbar. Von dem, was man erfährt, wenn man einen Menschen zuhause besucht, die Kleinigkeiten, die Bilder an der Wand, was im Bad steht, ob er seine Schuhe auszieht oder nicht, davon bekam man nichts mit. Natürlich konnten die Soldaten die Frauen auch zuhause besuchten, aber viele wohnten noch bei ihren Eltern. „Und die meisten Eltern fanden es nicht so toll, wenn man Amis nach Hause brachte“, sagt eine, die es versucht hat. Und wie sollte die Beziehung weitergehen, wenn die Amerikaner abzogen? Die meisten waren nur zwei Jahre in Friedberg stationiert. Es gab Frauen, die schickten (nachdem Soldaten heimgekehrt waren) Briefe an Adressen, die nicht existierten. Es gab Frauen, die reisten in die USA, nur um dort herauszufinden, dass der Geliebte bereits Frau und Kinder hatte. Es gab Frauen, die trafen auf Männer, die es kaum schafften ihren Alltag zu organisieren.

Von Allem zu viel – das Central Studio

1996 verkauft Frau Niethammer das Central Studio an Ernst Jannick. Ihm gehörte auch das Fillwood in Bad Vilbel. Spiele und Events gab es kaum noch, dafür aber öffnete er das Central für Abiparties. Mit ihnen begann sich die Sperrstunden aufzuweichen. Sie gingen nicht wie üblich bis um 1 Uhr nachts, sondern gerne auch bis 3 Uhr oder länger. Auch hier kamen irgendwann um Mitternacht die Amerikaner dazu und haben mitgefeiert, auf den Tische getanzt, die Stimmung nochmal aufgeheizt.

Aber ab der Milleniumswende wurde das Central immer weniger besucht. Das lag an mehreren Dingen. Zum einen an der Ausweitung der Sperrstunde. Wenn man bis 1 Uhr nachts aus ist, kann man am nächsten Tag noch aufstehen und antreten, wenn auch mit Mühen. Aber wird es 3 Uhr, wird das zunehmend unmöglich. Die Menschen gehen deshalb weniger aus, aber wenn sie ausgehen, dann richtig. Die Qualität des Feierns ändert sich. Auch im Central. Als erstes fielen die Dienstage weg, Mittwochs wurde Fassbier Abend, bis auch dann die Türen geschlossen blieben. Irgendwann war nur noch freitags und samstags auf. So ging es nicht nur dem Central, sondern auch vielen anderen kleinen Clubs in der Umgebung. Die Menschen blieben weg. Viele schlossen Anfang der 2000er ihre Türen. Vielleicht lag es am Social Media Zeitalter, daran dass Menschen mehr Möglichkeiten hatten und davon viel schneller erfuhren. Man weiß es nicht.

Im Central kam noch eine zweite Entwicklung dazu: Die Türken. Man nennt sie „die Türken“, aber es ist unklar, zu welcher Nationalität sie gehörten. Ob kurdisch, aus dem Irak oder dem Libanon. Es ist ganz gleich, wichtig ist nur, dass sie schon mit den Kriegen am Golf nicht einverstanden waren. Und spätestens seit den Reaktionen auf die Angriffe auf das World Trade Center am 9.September 2001 die amerikanischen Einsätze als Feldzug gegen den Islam ansahen. In der Friedberger Altstadt gab es immer wieder Schlägereien zwischen Amerikanern und Türken, sie provozierten einander und sind Streit nicht aus dem Weg gegangen. Friedberg wurde zum schlimmen Pflaster. Dieser Ruf färbte auch auf das Central ab, obwohl in der Diskothek selbst nur wenig Schlägereien stattfanden.

Und dann wurde beschlossen, dass die Amerikaner abziehen. Kompanieweise verließen sie ab 1996 die Stadt. Und mit jedem Abzug wurde das Central ein bisschen leerer. Es kamen nicht viele, die das amerikanische Publikum ersetzten. Man spielte an Samstagen gemischtere Musik, auch mal Popmusik und knallige Rocksongs, um deutsche Gäste anzulocken, aber der Laden wurde nicht mehr brechend voll. Als die Amerikaner im Ende 2007 ganz weg waren, machte das Central sogar drei Monate zu. Es war das erste Mal seit es 1968 aufgemacht hatte. Man musste sich neu erfinden. Vieles wurde probiert und verworfen bis 2009 zwei Frauen die Lounge Parties ins Leben riefen, damals waren es Ü-30 Parties, heute laufen sie noch immer, allerdings sind die Besucher:innen mittlerweile Ü 40.

Von Allem zu viel – das Central Studio