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VOM TYPUS DES AMERIKAFANS TEIL 2

Der Fan vor Amerika

In der Kindheit ist des Fan-Sein noch ein anders. Für den jungen Fanboy kann die Leidenschaft ins Unermessliche steigen, der Traum eines anderen Lebens mehr oder weniger ansatzlos in die Zukunft getrieben werden. Die dem Fan-Sein eingeschriebene Distanz zwischen Subjekt und Objekt wirkt noch wie ein unscheinbares Hindernis. Mögliche Unpässlichkeiten können geflissentlichen ignoriert werden. Die Distanz schmiegt sich noch in das vor ihm liegende Leben und scheint eben überwindbar; this could bei our future. Amerika, die USA sind ein Zukunfts- und Traumbild.

Die Projektion in die Zukunft, in das, was man bewundert, wofür man brennt, ist gefahrlos und wird nicht mal durchs sehnsüchtig bleiben getrübt. Ami werden, warum nicht. Geht bestimmt, die stehen doch bei uns im Wald herum. Wenn wir im Wald Fresspakete oder Knicklichter – am allerbesten unbenutzt – fanden, hatte es stets etwas vom Training für eine Einsatz. Ein Moment der Imagination. Kein Krieg, aber irgendwas Spannendes. Bestimmt waren wir bereit. Irgendwas mit Amerika.

Das Verhalten der Soldaten, das Auftreten der GI´s lag im Einfluss der amerikanischen Politik. Mein Vater traf auf einer seiner regelmäßigen Jogging-Runden durch den Wald über Rosbach auf einen uniformierten und mit Maschinengewehr bewaffneten US-Soldaten, der Gitarre spielte. Der Soldat erklärte ihm, dass er bei einer Übung seiner Kampfeinheit symbolisch getötet worden sei, und sich jetzt die Zeit mit Musizieren vertrieb, um zum Ende des Manövers wieder ins Leben zurückzukehren. Das war unter Ronald Reagan, unter dem zumindest diese Order eher friedlich war. Unter dem nachfolgenden Georg Bush Senior hatten die Soldaten die Anweisung, in Manövern mit zufälligen auftauchenden Menschen nicht zu sprechen, sondern sich sofort umzudrehen. Die Linien der Politik in Washington, gestalten das Auftreten auch in der fernen Wetterau. Und damit auch die Möglichkeiten in Kontakt zu treten, eine Nähe zu haben. Die Verhärtung der Politik geht einher mit einer Distanz im Auftreten in der Wetterau, also in Deutschland.

Für Kindern ist das weniger relevant, hier zählen andere Sachen. Man ist einfach begeistert. Und die Idee, Ami zu werden, wird davon nicht ernsthaft tangiert. Aber auch unsere Bewunderung wurde herausgefordert. Das Bild, wie sich ein Kolone bei uns im Ort festgefahren hat, ist fest eingebrannt. Eine Panzerkolonne im Wald ist nicht angenehmen; zwar faszinierend aber stets auch angsteinflößend. Bei uns im Wald waren viele Soldaten unterwegs. Schilder am Eingang haben davon gezeugt und große Betonpoller während der Manöver den Zugang versperrt. Betreten auf eigene Gefahr.

Ein Fan identifiziert sich mit dem bewunderten Gegenstand. Psychologisch kann Identifikation zweierlei bedeuten: sich mit etwas zu identifizieren oder mit etwas eins zu werden, also quasi die Identität anzunehmen. Im Fan-Sein zerfließen diese Punkte. Im Kindesalter ist das nicht weiter problematisch. Der Umstand, dass die Identifikation nie wird vollendet werden können, ist hier noch unbedeutend und wirft keinen allzu großen Schatten auf das Projekt. Es geht nicht um Erfolg oder um Scheitern, es geht um einen Traum, eine Projektion in das, was sein könnte.

Der größere, gar Erwachsene Fan hat es nicht mehr so einfach. Je älter der Fan ist, umso mehr kann es unangenehmen Begleiterscheinungen und Überidentifizierungen kommen. Der Übergang von einer bisweilen amüsanten oder clownesken Leidenschaft hin zu einer absurde und überzeichneten ist bisweilen fließend. Die Struktur des Fan-Seins, das fanatisch für etwas sein, ähnelt oder wurzelt im unerschütterlichen Glauben an Gott. Und damit auch an etwas, was zugleich ganz nah und unerreichbar ist. Fan sein heißt: Teil zu sein. Und zugleich: Nicht-Teil zu sein. Unerreichbar. Die Amis waren direkt nebenan, aber trotzdem weit weg. Das kann den Versuch erzeugen, etwas zu überbrücken, eine Nähe oder Verbundenheit zu erzeugen.

Darin steckt eine Sehnsucht. Und die sorgt für so manche obskuren Leidenschaften bei Kindern. Die USA haben hier ein großes Repertoire im Angebot. Heute lässt man solche Leute aus guten Gründen nicht mehr über die Türschwelle, früher haben wir dafür selbstverständlich unser Taschengeld investiert.